Auf der Tagung des neuen Think Tanks TRANSIT, über die wir im letzten Blog-Beitrag berichtet haben, wurden verschiedene Zukunftsszenarien der Weiterbildung entworfen und in einzelnen Arbeitsgruppen diskutiert. In einem dieser Workshops spielten “Lern- und Erfahrungsräume” die zentrale Rolle. Was damit genau gemeint ist und welche Chancen und Herausforderungen diesbezüglich sowohl auf die Lernenden als auch auf die Lehrenden zukommen können, darüber haben wir uns von Happy Students hier ein paar Gedanken gemacht.

Früh morgens in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit, in den Bluetooth-Kopfhörern ertönt die neueste Ausgabe des Podcasts über die aktuellen Entwicklungen und Trends der Branche, in der man tätig ist. Manchmal lauscht man vielleicht auch einfach der spannenden Geschichte eines Audio-Lernkrimis, der natürlich exakt auf das eigene Sprachniveau zugeschnitten ist. In der Mittagspause im Büro füllt man dann vielleicht sogar noch ein paar der Lückentexte im entsprechenden Begleitübungsbuch — dauert ja auch nur ein paar Minuten und bringt ein bisschen Abwechslung für den Geist und auf den Schreibtisch. Am späten Abend auf dem Sofa, die Kinder sind längst ins Bett gebracht, die Augen noch nicht zu schwer, klappt man das Notebook auf, öffnet die Plattform von LinkedIn-Learning oder Udemy und startet den Kurs zur digitalen Bildbearbeitung genau dort, wo man das letzte Mal aufgehört hatte. Und zum Bearbeiten der Studienhefte für den zertifizierten Fernlehrgang zur Social Media Managerin oder zum Ernährungsberater — wovon man sich berufliches Fortkommen oder die Selbstständigkeit erhofft — setzt man sich am Wochenende gerne für zwei Stunden in das gemütliche Café um die Ecke. Der cremige Cappuccino dort schmeckt schliesslich um Welten besser als das koffeinhaltige Getränk, das man zuhause hinbekommen hätte…

Erkennen Sie sich ein Stück weit wieder? Wenn Bildungs-Expertinnen über die “Entgrenzung” von Lernräumen reden, dann meinen sie unter anderem genau das: Lernen findet längst nicht mehr nur in Klassen- und Kursräumen in Schulen und Weiterbildungsinstituten statt, sondern ist — und da waren sich alle TeilnehmerInnen des Workshops über “Lern- und Erfahrungsräume” auf der ersten TRANSIT-Tagung in Zürich einig — zunehmend örtlich und zeitlich unabhängig. Oder anders, und aus Sicht der lernenden Person ausgedrückt: „Ich lerne wann und wo ich will!“

Eine moderne Lernumgebung muss deshalb der steigenden Mobilität und Flexibilität der Lebenswelt des lernenden Individuums gerecht werden, zugleich aber die Möglichkeit zur ständigen Kommunikation und Vernetzung sowohl mit anderen (Mit-)Lernenden als auch mit der entsprechenden Lehrperson bieten. Und gerade deshalb, so wurde es auch auf den Folien des Workshops festgehalten, gewinnen virtuelle Lern- und Erfahrungsräume immer weiter an Bedeutung.

Augmented Reality und Wearables, MOOCs und Virtual Classrooms, Blended-Learning-/Online-Einheiten, Soziale Netzwerke sowie Erklärfilme und Videos — all das, und man könnte die Liste problemlos fortsetzen, ermöglicht oder erweitert solche Formen des individuell angepassten, selbstbestimmten Lernens. Zugleich bringen letztere aber für die Beteiligten, d.h. Lernende und Lehrende, Schulen und Bildungseinrichtungen etc., gewisse Herausforderungen mit sich. Einige der möglichen Schwierigkeiten bei der Integration digitaler Lernplattformen werden in mehreren aktuellen Studien und Fachpublikationen sehr genau beschrieben (siehe bspw. Imboden 2017) und beschäftigen uns als Anbieter eines Learning Management Systems (LMS) natürlich besonders. Um das erstmalige Betreten virtueller Lern- und Erfahrungsräume möglichst reibungslos und professionell zu gestalten, führen wir neben der eigentlichen Implementation deshalb auch die entsprechenden Schulungen gleich mit durch.

Die wachsende Digitalisierung des Lernens ist jedoch nur eine Dimension der Zukunft (und Gegenwart) der Weiterbildung. “Orte und ihre Materialität bleiben für Lernen wesentlich,” so hielt es der Leiter des Workshops, Herr Prof. Dr. Erik Haberzeth von der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH), in seinen PowerPoint-Folien fest, denn als menschliche Wesen seien wir ja schliesslich “durch unsere Körper und damit unsere Sinnlichkeit immer konkret räumlich und sozial gebunden.” Und so bleiben trotz der eingangs erwähnten “Entgrenzung” — man denke an den Zug, das Büro, das heimische Sofa und das Café an der Strassenecke — Fragen der optimalen und funktionalen Gestaltung von konkreten Lernräumen auch künftig zentral.

„Das hier ist eine Erweiterung vom Schulzimmer.“
Selbstbewusst loten die Angehörigen dieser Schule in Zürich die Möglichkeiten alternativer Lernräume aus, indem sie ihren Schulgarten kurzerhand in ein Urban Gardening Projekt umgewandelt haben. So sollen grosse Themen wie Naturschutz, Welternährung oder Biodiversität erfahr- und greifbar(er) gemacht werden.

Inhalte und der Ort, an dem sie gelernt und sich angeeignet werden, sind oftmals eng miteinander gekoppelt und so gilt es nicht nur lernfördernd zu bauen und einzurichten, sondern auch über sogenannte “alternative” Lernräume nachzudenken. Auf einen ganz besonders “alternativen” Lernraum wurden wir kürzlich durch den Newsletter der Akademie für Erwachsenenbildung Schweiz (aeB) aufmerksam gemacht. Unter dem Motto des “erlebnisorientierten Lernens in der Natur” können einige der von ihr angebotenen Module im Sommer 2019 in der Mongolei absolviert werden. Pferde, weite Steppen, Jurten-Camps und Nomaden — das wäre auf jeden Fall ein interessanter Input für die kurzweilige Schreib- und Zeichenübung gewesen, zu der man als TeilnehmerIn auf der TRANSIT-Tagung gleich zu Beginn des Workshops zu den Lern- und Erfahrungsräumen aufgefordert wurde: “Eine solche Lernumgebung wünsche ich mir…”

Text: Roger Hubmann und Alexander Blechschmidt von Happy Students.

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